
Als Sozialpädagogin bin ich jetzt seit über einem Jahrzehnt in der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Meine Herzensthemen sind der Kinderschutz und die Umsetzung von Kinderrechten. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz liegt nun ein rechtlicher Rahmen vor, der die Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen in den Vordergrund stellt. Das gefällt mir sehr, weil es ein weiterer Schritt in eine inklusive Gesellschaft ist.
Funktionieren wird das aber nur, wenn die Bildungssysteme ineinandergreifen. Ein Kind, das offenkundig und diagnostisch bestätigt, eine Lern- oder emotionale Behinderung hat, sollte die notwendige Therapie als Teil des schulischen Angebots in Anspruch nehmen können. In der Realität kann es die Unterstützung durch eine Schulassistenz oder eine Lerntherapie aber nur über den Umweg Jugendamt erhalten. Eltern und Kind müssen sich da einem aufwendigen Prüfverfahren unterziehen, an dessen Ende die Feststellung einer sogenannten Teilhabebeeinträchtigung stehen muss. Sonst wird die notwendige Hilfe nicht gewährt. In einer inklusiven Schule brauchen wir für die unterschiedlichen Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten einheitliche und einfache Beantragungs- und Finanzierungswege.
Die Vereinfachung dieser Verfahren würde auch die personelle Situation in den Jugendämtern entspannen. So bliebe mehr Zeit für die primäre Aufgabe, Kinder zu schützen und Eltern in ihren Erziehungsaufgaben zu stärken. Denn Fälle, wie in Lügde dürfen sich nicht wiederholen. Wir müssen politisch mal zur Kenntnis nehmen, dass das System der Erziehungshilfe an der absoluten Belastungsgrenze arbeitet – sowohl personell als auch finanziell. Das begünstigt Fehler und die Entstehung von Strukturen, die sich immer weiter vom gesetzlich geforderten, partizipativen Charakter entfernen.
Um dem entgegen zu wirken, brauchen die Jugendämter Unterstützung bei Führungskräfteentwicklung, Coaching und Supervision, sowie Fort- und Weiterbildung. Da dies Sache des Landes ist, muss das Fortbildungsprogramm des Landes entsprechend angepasst werden. Und auch die freien Träger der erzieherischen Jugendhilfe, die im Rahmen von Hilfeplanung täglich aufsuchend in den Familien sozialpädagogische Unterstützung leisten, benötigen eine solide Basis für ihre herausfordernde Tätigkeit. Deshalb gehören die Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern auf den Prüfstand.